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Predigt, Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020

„Ich sehe was, was du nicht siehst!“ – ist ein Spiel für lange Autofahrten. Ein Frage – Antwort – Spiel. Kinder können sich dafür begeistern. Sie fragen einem ein Loch in den Bauch. […]

Predigt von Pastor Norbert Schwarz
Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020, Predigttext: Apg 1,3-11
Audiopredigt zu Apg 1,3-11 Christi Himmelfahrt 21. Mai 2020 von
Pastor Norbert Schwarz

Wochenspruch

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen (Joh 12,32).

Predigttext Apg 1,3-11 Christi Himmelfahrt

3 Jesus zeigte sich den Aposteln nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. 4 Und als er mit ihnen beim Mahl war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr – so sprach er – von mir gehört habt; 5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. 6 Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? 7 Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; 8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. 9 Und als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen. 10 Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. 11 Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.

Predigt

Liebe Gemeinde!

„Ich sehe was, was du nicht siehst!“ – ist ein Spiel für lange Autofahrten. Ein Frage – Antwort – Spiel. Kinder können sich dafür begeistern. Sie fragen einem ein Loch in den Bauch. Sie wollen entdecken, was jemand anderes sieht und was doch dem eigenen Blick verborgen bleibt.

Kindliche Neugier ist auch bei dem Lied im Spiel, das wir eben gehört haben: „Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?“ Kein Mensch hat das jemals gesehen. Selbst mit Hilfe des modernsten Teleskops lässt sich der Weltraum nicht durchmessen. Kein Mensch hat sie je gezählt. Wie viele Planeten und Sonnensysteme im Universum existieren, das übersteigt unsere Vorstellungskraft.

*

Und doch wohnt in uns eine Sehnsucht nach Unendlichkeit. Daher die Faszination beim Blick zum Himmel. Die Fragen des Kinderliedes treiben uns dazu an, dass wir uns nach unendlichen Räumen ausstrecken.

In allen Religionen ist der Blick in den Himmel verbunden mit der Frage nach Gott. Mit der Ahnung, dass es etwas unendlich Großes gibt. Ein Schöpfer, der diese Welt geschaffen hat. Die Unendlichkeit entzieht sich jedoch unseren Blicken. „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ – Angesichts der Weite des Universums würde dieses Spiel niemals enden.

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Der Himmelfahrtstag lenkt unseren Blick nach oben. Bei den Jüngerinnen und Jüngern hinterlässt er allerdings eine Mischung aus Sehnsucht und Schmerz. Nach seiner Auferstehung war Jesus ihnen noch einmal nahegekommen. 40 Tage lang war er da. Zum Greifen nahe. Thomas durfte seinen Finger in seine Wundmale legen. Es war jedoch klar: Diese Gegenwart wird nicht von Dauer sein. An Christi Himmelfahrt ist die Stunde des Abschieds gekommen. Zwischen ihm und den Seinen. Jesus kehrt zurück zu Gott.

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Für uns Erdenbewohner ist der Himmel der Ort, der uns entzogen ist. Es ist der Raum, den wir niemals durchmessen können. Gewiss: Seit den Tagen Jesu ist einiges geschehen. Menschen haben den Himmel erobert. Seine Geheimnisse gelüftet. Wir bauen Häuser, die bis in den Himmel ragen. Wir durchkreuzen den Himmel mit Flugzeugen, Raketen und Satelliten. Raumsonden nähern sich den Grenzen unseres Sonnensystems. Aber sind wir ihm dadurch wirklich nähergekommen?

Die englische Sprache hat zwei Wörter für „Himmel“. Den Himmel, den die Meteorologen auf ihren Wetterkarten verzeichnen, nennen die Engländer „sky“. Daneben gibt es noch ein anderes Wort: „heaven“. „Heaven“ ist mehr als das blaue Gewölbe über dem Horizont. „Heaven“ ist ein Sehnsuchtsort. Ein Ort, der sich uns entzieht. Von uns aus können wir die Grenze zu ihm nicht überschreiten.

Zugleich ist „Heaven“ ein Ort, wo alles aufgehoben ist, was uns lieb und teuer ist. Vielleicht kennen Sie das Lied von Eric Clapton: „Would you know my name, if I see you in heaven?“ Ein Gespräch mit seinem verstorbenen Sohn. So viel hätte er ihm noch sagen wollen. Der Schmerz über seinen Tod ist tief. Aber die Hoffnung, ihn einst im Himmel wiederzutreffen, gibt er nicht auf.

Wenn ein Mensch, der uns am Herzen lag, gestorben ist, wünschen wir uns, dass er einen Platz habe im Himmel.

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„Was steht ihr da und starrt in den Himmel?“ – reißt eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Voller Wehmut blicken sie nach oben. Doch alles, was sie zu sehen bekommen, ist die unendlich blaue Weite. Keine Spur mehr von dem, der eben noch mit ihnen gesprochen hat. Jesus ist ihren Augen entschwunden. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Der wird auf Euch kommen und ihr werdet meine Zeugen sein,“ hatte er sich von Ihnen verabschiedet.

Jesus entzieht sie sich ihrem Blick – um Ihnen auf neue Weise nahe zu kommen. Dieser Zusammenhang springt uns heute mehr an den je. Wir leiden darunter, dass wir Abstand halten müssen. Begegnungen und Berührungen mit Menschen, die uns am Herzen liegen, sind auf unbestimmte Zeit nicht möglich.

Die Himmelfahrtsgeschichte zeigt uns: Aus diesem Schmerz kann etwas Neues entstehen. Christus sagt: „Ihr, die Ihr mir jetzt nicht mehr nahe sein könnt, die Ihr mich nicht einmal mehr sehen könnt – Ihr werdet die Kraft meines Geistes empfangen. Ihr werdet für mich einstehen und ich werde mit Euch sein!“

Dieses Versprechen macht etwas mit denen, die es hören. Es lenkt ihre Sehnsucht in eine andere Richtung. Anstatt auf den Horizont zu starren, hören sie in sich hinein. In ihr Inneres. Dort waren schon die Emmausjünger gewahr geworden, dass Jesus sich zu ihnen gesellt: „Brannte nicht unser Herz als er mit uns redete auf dem Weg?“

In sein Herz hineinspüren, es bereit machen – das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Jesus ihnen jetzt nahekommt. Ihr Herz ist der Landeplatz für seinen Geist, das Tor, durch das Gott zur Welt kommt.

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Christi Himmelfahrt birgt eine revolutionäre Erkenntnis in sich: Wer mit dem Herzen sieht, bekommt Gottes Nähe zu fassen. Mitten in der Welt. Der wird gewahr: Der Himmel ist nicht einfach oben. Der Himmel kann uns nahekommen. Er kann in uns wohnen.

Jesus selbst hat gezeigt, wie man mit dem Herzen sieht. Er ließ seinen Blick nicht in die Ferne schweifen. Er ließ sich anrühren von der Not, die ihn anblickte. Von Angesicht zu Angesicht. Im Glanz, der sich auf das Gesicht seines Gegenübers legte, übertrug sich sein Geist. Unter seinem tröstenden Wort breitete sich der Himmel aus über die Erde.

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Sich in seinem Herzen berühren lassen. Wer das tut, kann den Abstand überwinden zwischen Himmel und Erde. „Ich sehe was, was du nicht siehst.“ – An Christi Himmelfahrt müssten wir dieses Spiel neu erfinden: „Ich sehe den, den du auch siehst“ – Den Menschen Jesus. Obwohl mein Auge ihn nicht sehen kann, obwohl meine Hand ihn nicht berühren kann, dennoch spüre ich: Er ist nah. Er begleitet mich auf Schritt und Tritt. Jesus macht uns zu Menschen, die mit dem Herzen sehen können. Amen.

Gottes Segen wünscht Ihnen Ihr Pastor Norbert Schwarz. Bleiben Sie behütet!