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Predigt von Pastor Norbert Schwarz 7. Sonntag nach Trinitatis, 26. Juli 2020

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Predigt von Pastor Norbert Schwarz 6. Sonntag nach Trinitatis, 19. Juli 2020

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Predigt von Lektorin Rosi Schwarzrock, 5. Sonntag nach Trinitatis, 12. Juli 2020

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Wort zum Sonntag

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Predigt von Pastor Norbert Schwarz 2. Sonntag nach Trinitatis, 21. Juni 2020

Predigttext: Lk 14,15-24 Das große Abendmahl

15 Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! 16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! 18 Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20 Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. 21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24 Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.

Liebe Gemeinde!

„Wer kommt in den Himmel?“ – Lange war das für Menschen die wichtigste Frage im Leben. „Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand; der Himmel soll mir werden, das ist mein Vaterland,“ dichtete Paul Gerhardt. Besonders in Krisenzeiten stand die Sehnsucht nach dem Himmel an erster Stelle. Als im Mittelalter die Pest grassierte, richtete sich der bange Blick nach oben. „Falls ich morgen sterbe: Was muss ich tun, damit ich in den Himmel komme?“ fragte man. Die Kirche erlebte einen nie dagewesenen Zustrom. Gottesdienste und Bittprozessionen schossen wie Pilze aus dem Boden. Um ihr Seelenheil zu sichern, strömten die Menschen nur so in die Kirchen. Geistlichen war es unmöglich, die übergroße Nachfrage zu bedienen.

*

Wer kommt in den Himmel? – Auch dem Evangelisten Lukas brennt diese Frage unter den Nägeln. Sein energischer Sinn für Gerechtigkeit lässt ihnen seinen Blick nach oben richten. Wenn es schon hier auf Erden keine Gerechtigkeit gibt, müssen doch wenigstens im Jenseits die Benachteiligten zum Zuge kommen. Lukas erzählt die Geschichte vom armen Lazarus: Nach einem Leben im Elend darf er sich im Himmel in Abrahams Schoß wiegen. Der reiche Mann dagegen, der seine Not übersehen hat, landet in der Hölle. Dank des Himmels siegt am Ende die Gerechtigkeit und sorgt für den Ausgleich!

*

Wer kommt in den Himmel? – Unter den Dingen, die Menschen heute unter den Nägeln brennen, rangiert diese Frage ziemlich weit hinten. In der Liste von Grundbedürfnissen kommt der Himmel nicht mehr vor. Das offenbart die derzeitige Krise: Viele Fragen bereiten Menschen schlaflose Nächte. „Werde ich meine Arbeit verlieren?“ „Wird das Geld bis zum Monatsende reichen?“ „Wann kann ich meine Mutter im Heim endlich wieder besuchen?“ – Die Frage nach dem jenseitigen Seelenheil gehört nicht dazu. So gesehen ist das Gleichnis vom großen Abendmahl ein Spiegel für die Rolle der Religion in der Gesellschaft heute. Diejenigen, die ins Reich Gottes geladen sind, winken ab. Sie entschuldigen sich, weil sie von dringlicheren Problemen beansprucht sind. Die materielle Grundversorgung gilt es zu gewährleisten. Der Acker muss bestellt, das Vieh muss versorgt werden. Die Familie fordert ihre Aufmerksamkeit, „darum kann ich nicht kommen.“ Nicht erst seit Corona nimmt uns das Leben im hier und jetzt vollends in Anspruch. „Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen,“ spottete schon Heinrich Heine.

Schlechte Aussichten also für diejenigen, die für die Sache Gottes unterwegs sind, die den Blick ihrer Mitmenschen zum Himmel lenken wollen?

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Man könnte dem Gleichnis eine seelsorgerliche Seite abgewinnen. Ein Trost für alle, die sich in der Kirche engagieren und bei denen, die sie erreichen wollen, oft auf wenig Resonanz stoßen. Nicht erst seit heute ist das so: Gott lädt ein, aber seine Einladung wird nicht angenommen. Diese Erfahrung haben schon die allerersten Christen gemacht. Jesus selbst hat das erfahren. Nüchtern betrachtet, sollte man denen, die sich entschuldigen, keine Bosheit unterstellen. Sie haben plausible Gründe. Und, wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben: Auch bei mir selbst rangieren oft andere Fragen weiter vorn. Ich selbst bin oft so beschäftigt, so viele Dinge zerren an mir, dass ich Gottes Einladung überhöre.

*

Interessant ist, dass die Geschichte mit Entschuldigung der geladenen Gäste nicht endet. Die Feier ist nicht abgesagt. Wie in den vergangenen Monaten so viele Feiern abgesagt werden mussten, die von langer Hand liebevoll geplant worden sind. Der Gastgeber des großen Abendmahls hat einen Plan-B. Nachdem es ihm nicht gelang, bei den zuerst Geladenen den Geschmack für den Himmel zu wecken, gibt er nicht auf. Er schickt seine Boten noch einmal los. An anderen Orten sollen sie die Einladung noch einmal publik machen. – Tatsächlich füllen sich diesmal die Tische des himmlischen Gastmahls. Bis auf den letzten Platz.

*

Was ist anders bei diesem zweiten Versuch? Warum findet die Einladung jetzt Gehör? – Über diese Frage ist in der Kirchengeschichte viel diskutiert worden. Für Lukas manifestiert sich darin der Übergang des Heils zu den Heiden. Die Pharisäer haben Jesus abgelehnt. Von Menschen, die von außerhalb Israels kommen, wird seine Botschaft auf-genommen. Im Mittelalter wurde dieses Gleichnis zum Ausgangspunkt genommen für ein problematisches Verständnis von Mission: Weil die Botschafter dazu aufgefordert werden, andere zu nötigen, ins Haus des Herrn zu kommen, meinte man, man solle Menschen notfalls mit dem Schwert zum Glauben bringen. Dagegen scheint mir ein anderer Aspekt wichtig: Im Unterscheid zur ersten Einladung treffen die Boten ihre Adressaten in einer gänzlich anderen Verfassung an. Beim ersten Mal treffen sie auf Menschen, die mitten drin stecken im geschäftigen Treiben. Sie kaufen Äcker und Ochsen, gründen Familien. Ihr Leben läuft auf Hochtouren in vorgezeichneten Bahnen. Heute würde man sagen: Sie stecken in der Rush Hour des Lebens. Beim zweiten Mal treffen die Boten auf Leute, die das Leben aus der Bahn geworfen hat. Blinde und Lahme. Kranke und Arme. Hinkend und stolpernd, zerlumpt und gezeichnet machen sich auf den Weg zur reich gedeckten Tafel. Weil sie ohnehin nicht wissen, wie es weitergeht, erreicht sie die Einladung genau im richtigen Moment.

*

„Wer kommt in den Himmel?“ – Liebe Gemeinde, anders, als es zunächst den Anschein hat, ist die Krise, die wir im Moment durchleben, vielleicht doch dazu geeignet ist, uns diese Frage neu bewusst zu machen.

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich es erlebt, dass ein ganzes Land stillsteht. Niemand konnte sagen, wann und wie es weitergeht. „Wir fahren im Moment auf Sicht,“ war eine Redewendung, die ich immer wieder hörte. Zahllose Tragödien bringt diese Krise mit sich. Daran ist nichts zu beschönigen. Aber vielleicht birgt sie auch eine Chance. Die Chance zu fragen, was wirklich wichtig ist. Was trägt und was zählt, wenn es drauf ankommt. Mit dieser Frage verbindet die Bibel den Blick zum Himmel. Gott lädt uns dazu ein, unser Alltagsgeschäft immer wieder zu unterbrechen. Innezuhalten. Den Blick frei zu bekommen für seinen Himmel und seine Ewigkeit. Diese Botschaft hat Jesus in die Welt gebracht. Wann wäre ein besserer Zeitpunkt sie zu hören als heute?

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken,“ sagt Jesus. Selten gab es mehr Menschen, die so darauf angewiesen sind. Dass jemand kommt und ihnen die Last von den Schultern nimmt.

„Wer kommt in den Himmel?“ – Im Mund Jesu ist diese Frage keine Drohung, sondern eine Einladung an alle: „Nehmt dieses Versprechen an. Tragt es in die Welt hinein. Was immer auch geschieht. Ihr seid Geschöpfe Gottes. Er sorgt für euch. Am Ende werdet ihr Gäste sein bei seinem großen Festmahl. Der Tisch dafür ist heute schon gedeckt.“

Amen.

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Predigt von Pastor Norbert Schwarz 1. Sonntag nach Trinitatis, 14. Juni 2020

Wochenspruch

Jesus sagt: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich (Lk 10,16).

Predigttext 1.Joh 4,16-21

16 Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 17 Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. 18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe. 19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. 20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht. 21 Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

Predigt

Liebe Gemeinde,

„Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ – Ich weiß nicht, wie viele Paare diesen Vers als Trauspruch; wie viele Konfirmanden ihn als Konfirmationsspruch gewählt haben. ‚Gott ist Liebe‘ – das spricht uns an. Das trifft eine Sehnsucht: In der Liebe bleiben, mit der Liebe verbunden sein, das wünsche ich mir: In meiner Familie, in meinen Beziehungen, in der Gemeinde, auch in unserer Gesellschaft.

Es muss nicht die romantische Liebe sein. Achtung. Wertschätzung für den Anderen. Auch das nennt die Bibel „Liebe“. Dass ich den anderen sehen kann, wie er ist, mit dem, was er braucht. Und dass ich mich von ihm gesehen fühle, so, wie ich bin, mit dem, was ich brauche.

Wie sehr wir das brauchen, merken wir gerade dann, wenn es fehlt: Wenn Rassismus an die Stelle von Wertschätzung tritt. Nicht nur in den USA. Ein Schrei der Empörung ging in der letzten Woche durch die Welt. Über die Ermordung von Georg Floyd. Empörung auch darüber, dass einem aus dem Gesicht des Präsidenten nur kalte Verachtung entgegenblickt. Geschmückt mit einer Bibel in der Hand. Die Empörung über so viel Menschenverachtung ist ein Schrei nach Liebe. Nach Anerkennung.

Liebe täte uns gut. Sie wäre die Lösung für viele Probleme. – Doch wirbleiben nicht in der Liebe. Das wissen und spüren wir. Manchmal erleiden wir es auch: oft verletzen wir einander; fallen aus der Liebe heraus. Überall, wo Menschen zusammenleben und arbeiten, kann ich das sehen.

Und es ist kein Problem unserer Zeit. Schon die allerersten Brüder, von denen die Bibel erzählt, sind nicht in der Liebe geblieben – Kain schlug seinen Bruder tot, weil Gott Abels Opfer ansah und seines nicht.

Warum geschieht es, dass Menschen die Verbindung abbrechen, einander nicht mehr in die Augen sehen, aus der Liebe herausfallen? Warum behandeln wir einander lieblos und ohne Achtung, verletzen einander, gerade die, die uns besonders nahestehen? Warum bringen wir es so oft nicht fertig, einander wirklich zu lieben – wir scheitern nicht nur bei unseren Feinden, sondern auch bei unseren Geschwistern. Bei denen, die zu unserer eigenen Familie gehören. Das ist besonders schmerzhaft. Wie Kain Abels Bruder war und doch zu seinem Mörder wurde. Warum?

Furcht ist nicht in der Liebe, steht im 1. Johannesbrief.

Wenn das so einfach wäre. Oft schiebt sich die Furcht in die Liebe hinein, vermischt sich auf unheilvolle Weise mit ihr. Die Furcht, nicht genug geliebt zu werden. Die Furcht, mit der Liebe nicht wirklich gemeint zu sein. Die Furcht, nicht zu genügen. Die Furcht verlassen zu werden und zu scheitern. Furcht kann die Liebe vergiften. Zwischen Geschwistern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Ehepartnern und Freunden. Furcht kann eine ganze Gesellschaft, ein ganzes Land vergiften. Angst grassiert um sich, nicht gesehen zu werden. Angst, abgehängt, vergessen zu werden. So war es schon bei Kain und Abel: „Das Opfer des anderen wird gesehen und meines nicht. Ist das nicht ungerecht?“

Furcht tut weh. Ich muss mit ihr umgehen. Mich ihr aussetzen, damit sie von der Liebe wieder eingeholt, wieder eingehüllt werden kann. Aber es tut weh, die Furcht auszuhalten. Der Schmerz erinnert daran, dass ich den anderen brauche. Er erinnert mich an meine Verletzlichkeit. Der Schmerz erinnert mich an meinen Hunger nach Liebe, und er schlägt allzu leicht um in Zorn. Kain verschiebt sein Problem. Indem er seinen Bruder tötet, schafft er den Schmerz aus der Welt: Abel weg, Furcht weg. Es gibt Menschen, die handeln ein Leben lang nach diesem Prinzip. Und schnell entwickelt sich eine heillose Dynamik von Täter und Opfer. Für Abel endet die Geschichte tödlich. Vorbereitet wird der Mord durch Ausweichen. Kain senkt seinen Blick, vermeidet den Blickkontakt. Er schaut seinen jüngeren Bruder nicht an, verweigert das Gespräch. So ist keine Begegnung auf Augenhöhe mehr möglich, die Liebe zwischen den Brüdern versiegt. Abel ist nicht mehr Bruder, sondern Bedrohung, das Verbindende verliert sein Gewicht. Es ist, als hätte die Furcht die Fäden durchgeschnitten.

Die Liebe ist ein Netz mit großen Maschen.  Auch wenn ich mich danach sehne: ich kann nicht ein Leben lang darin bleiben und darin gehalten sein. Manchmal falle ich durch die Löcher. Immer wieder werden wir Zeugen und Opfer unserer Furcht. Immer wieder spüren wir, wie wir aus der Liebe herausfallen. Was geschieht dann – wenn der Bruder nicht mehr Bruder ist, die Schwester nicht mehr Schwester? Was geschieht, wenn einer für den anderen gestorben ist?

Kain muss fliehen, aber er bekommt ein Zeichen auf die Stirn, das ihn schützt. Gott sieht Kain an; er verharmlost nicht seine Schuld, aber er schützt ihn vor ihren Folgen. Niemand darf Kains Lieblosigkeit mit Mord vergelten. Kain darf weiterleben. Es wird anders sein als bisher, aber es ist ein Leben unter Gottes Schutz und nicht das Ende.

Gottes Schutzzeichen nimmt dem Kain die Angst vor Strafe. Es lässt ihn weiterleben. Seine Schuld ist geschehen, der Bruder ist tot. Aber er kann die Verantwortung für diese Tat übernehmen, weil er unter Gottes Schutz weiterleben kann. In dem Moment, in dem er seiner Tat genauso wie Gott ins Auge blickt, ist die Schuld vergeben. Gott hat Gericht über Kain gesprochen: im Zweifel für den Angeklagten. Er soll weiterleben dürfen, anders als bisher, aber behütet. Das Netz fängt ihn auf.

Ob er daraus gelernt hat? Wir erfahren nichts davon, aber wir hoffen es: Dass Lieblosigkeit keine neue Lieblosigkeit gebiert, sondern die Liebe sich durchsetzt. Gott macht den Anfang. Er liebt zuerst.

Hoffnung, dass Liebe sich durchsetzt. Sie lenkt unseren Blick herüber von Kain zu Jesus. Jesu Geschichte ist die Liebesgeschichte Gottes mit uns, die Geschichte einer Liebe, die sich furchtlos verschenkt und hingegeben hat. Es ist die Geschichte einer Liebe, die mit mir anfängt, immer wieder, immer von neuem. Gott hat Jesus in die Welt geschickt, um mir zu zeigen: ich bin nicht alleingelassen. „Hab keine Angst, fürchte dich nicht,“ ruft er mir zu. „Nichts kann dich von meiner Liebe trennen. Darum bring sie mir, deine Angst vor dem Nächsten, deine Angst vor dem Fremden. Deine Angst vor dem Verlassenwerden und deine Angst vor dem Scheitern. Ich halte mit dir aus.“

Es gibt eine Liebe, die tiefer ist als alle Furcht. Die größer ist als alle Schuld. Sie kann zum tragenden Grund deines Lebens werden. Gottes Liebe. Jesus hat sie gelebt. Und er hat sie uns gezeigt.

„Kommt her zu mir, alle, die Ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“ sagt Jesus. In seinem Versprechen bekommt Gottes Liebe ein Gesicht. Jesus sagt das zu jedem einzelnen von uns. Als Ermutigung: Deine Angst muss dich nicht beherrschen. Du musst anderen nicht ausweichen, du kannst ihnen in die Augen blicken. In ihnen begegnest du deinem Bruder, deiner Schwester. Gottes Liebe schaut dich an durch die Augen deiner Mitmenschen.

Und so segne er uns: Gott der Vater, der alles und alle in Liebe erschaffen hat, Gott der Sohn, der sich liebend an uns verschenkt hat, und Gott der Heilige Geist, der in unseren Herzen wohnt, uns Kraft und Mut gibt unsere Furcht auszuhalten und der Liebe zu trauen. Amen.

Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen Ihr Pastor Norbert Schwarz. Bleiben Sie behütet!

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Pfingstbrief an Seniorinnen und Senioren von Pastor Dr. Norbert Schwarz

Pfingstbrief an Seniorinnen und Senioren
von Pastor Dr. Norbert Schwarz aus Celle, 31. Mai 2020

Liebe Seniorinnen und Senioren!

„Was steht Ihr da und starrt in den Himmel?“ – reißt eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Wehmütig blicken sie auf. Doch alles, was sie zu sehen bekommen, ist die unendlich blaue Weite. Keine Spur mehr von dem, der eben noch da war. Jesus ist ihren Augen entschwunden.
Christi Himmelfahrt lenkt unseren Blick nach oben. Bei den Jüngerinnen und Jüngern hinterlässt sie eine Mischung aus Sehnsucht und Schmerz. Nach seiner Auferstehung war Jesus ihnen noch einmal nahegekommen. Zum Greifen nahe. Thomas durfte seinen Finger in seine Wundmale legen. Es war jedoch klar: Diese Zeit wird nicht von Dauer sein. Die Stunde des Abschieds wird kommen. Zwischen ihm und den Seinen. Jesus kehrt zurück zu Gott.
Der Schmerz des Abschieds ist uns heute näher denn je. Hinterm Fenster haftet ein trauriger Blick. Ihre Tochter steht unten und winkt noch einmal hoch. Dann wendet sie sich um und verschwindet Richtung Parkplatz. Viel zu kurz war diese Stunde. Näherkommen konnten sie sich nicht. Nur über die Reling des Balkons durften sie sich unterhalten. Hören, wie es den Enkeln geht.

10 Tage liegen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. 10 Tage zwischen Abschied und Neunanfang. Im Moment des Abschiedes hätten Sie es sich nicht träumen lassen: Wie auf einmal alles in Bewegung gerät. Ihr Herz schäumt über vor Freude. Ihnen ist danach, Fenster und Türen aufzureißen. Allen, die draußen sind, wollen sie erzählen, was sie erlebt haben. Sie wollen am liebsten die ganze Welt umarmen. Die Bedrückung, die sie spürten, ist der Weitung ihres Herzens gewichen.
„Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen,“ sagte Jesus beim Abschied. Der Weg, den seine Jüngerinnen und Jünger zwischen Himmelfahrt und Pfingsten gegangen sind, zeigt uns: Aus Schmerz kann Neues entstehen. Jesus entschwindet ihren Augen. Aber er kommt ihnen auf neue Weise nahe: „Ihr, die Ihr mir jetzt nicht mehr nahe sein könnt, die Ihr mich nicht einmal mehr sehen könnt – Ihr werdet die Kraft meines Geistes empfangen. Ihr werdet für mich einstehen und ich werde bei Euch sein!“

Anstatt auf den Horizont zu starren, lenkt Jesus den Blick nach innen. Ins Herz. Dort bewahren wir alles auf, was uns lieb und teuer ist. Wie in einem Schatzkästchen. Je stiller es um uns ist, umso kostbarer die Erinnerungen. An erfüllte Momente. An Begegnungen, die uns geprägt haben. An Menschen, die wir liebgewonnen haben, oder die uns behütet haben. Im Geist sind sie lebendig. Wir können sie hervorholen und darüber staunen. Das Herz kann zum Ort werden, wo Himmel und Erde sich berühren. Wo die Mauer zwischen Vergangenheit und Gegenwart zerbricht.

„Stellen Sie sich vor, gestern war meine Tochter da,“ begrüßt die alte Dame am nächsten Morgen den Pfleger. „Sie durfte zwar nicht hinein, aber über den Balkon haben wir uns unterhalten. Meine Enkeltochter hat ihren ersten Milchzahn bekommen!“ – ein Strahlen fährt über ihr Gesicht.

„Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen,“ sagt Jesus. Während sie sich an ihn erinnern, lodert in den Herzen seiner Jüngerinnen und Jünger das Pfingstfeuer auf. Die Hoffnung auf das Wiedersehen mit ihm verbindet sie. Und sie verbindet uns. Durch Absperrungen hindurch und über Raum und Zeit hinweg. Die Zeilen und die Melodie eines Pfingstliedes kommen mir in den Sinn:

„Zünde an dein Feuer, Herr, im Herzen mir,
hell mög‘ es brennen, lieber Heiland, dir.
Was ich bin und habe, soll dein Eigen sein.
In deine Hände schließe fest mich ein.
Quelle des Lebens und der Freude Quell,
du machst das Dunkel meiner Seele hell.
Du hörst mein Beten, hilfst aus aller Not,
Jesus, mein Heiland, mein Herr und Gott.“

Im Namen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Celle wünsche ich Ihnen ein frohes Pfingstfest. Bleiben Sie behütet!
Es grüßt Sie herzlich, Ihr

Norbert Schwarz
Pastor im Ev.-luth. Kirchenkreis Celle

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Predigt, Sonntag Exaudi, 24. Mai 2020

Predigt von Pastor Norbert Schwarz
Sonntag Exaudi, 24. Mai 2020
Audiopredigt zu Röm 8,26-30 am Sonntag Exaudi, 24. Mai 2020 von
Pastor Norbert Schwarz

Wochenspruch

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen (Joh 12,32).

Predigttext Röm 8,26-30 Hoffnung für die Schöpfung und Gewissheit des Heils

26 In unserer Schwachheit richtet uns der Geist auf. Denn wir wissen oft nicht, worum wir bitten sollen oder finden nicht die richtigen Worte. Der Geist selbst aber tritt für uns ein mitten in unserem unaussprechlichen Seufzen. 27 Gott kennt unsere Herzensanliegen und weiß, was sein Geist in unserem Innern ihm sagen will. So, wie es angemessen ist, tritt der Geist für diejenigen ein, die Gott als sein Eigentum ausgesondert hat. 28 Was auch geschieht – wir wissen: Denen, die Gott lieben und die durch seinen Entschluss berufen sind, müssen alle Dinge zum Besten dienen. 29 Alle, die Gott im Voraus ausgewählt hat, die hat er auch dazu bestimmt, seinem Sohn gleich zu werden. Nach dessen Bild sollen sie gestaltet werden, damit er der Erstgeborene unter vielen Geschwistern ist. 30 Die er aber bestimmt hat seinem Sohn gleich zu werden, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen; die er aber gerecht gesprochen hat, die hat er auch verherrlicht.

Predigt

Liebe Gemeinde!

„Was mag Gott dazu bewegt haben, uns Menschen zu schaffen?“ – habe ich mal Schülerinnen und Schüler gefragt. Im Religionsunterricht. Zum Einstieg in das Thema „Schöpfung“. Zunächst erntete ich verwunderte Blicke. Dann ließen sich einige darauf ein. „Vielleicht war’s Gott langweilig. Er wollte etwas schaffen, was außerhalb von ihm ist und schauen, was daraus wird“ – war eine Vermutung. „Gott brauchte jemanden, der sich um die Welt kümmert. Einen Verwalter, der ihn vertritt,“ sagte jemand anderes. „Gott wollte jemanden neben sich haben, damit er nicht allein ist,“ wieder ein anderer.
Im weiteren Verlauf wurde klar: Das Nachdenken über Gottes Schöpfung braucht keine leere Spekulation bleiben. Es kann etwas mit mir selbst zu tun bekommen. Damit, wie ich mich sehe. Spätestens wenn ich frage: „Wozu hat Gott mich geschaffen?“, hat das Konsequenzen für mein Leben. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt: Bin ich nur ein Zufallsprodukt? Aus Langeweile heraus entstanden? Oder hat Gott etwas Besonderes mit mir vor? Bin ich ihm wichtig? Oder bin ich ihm gleichgültig? Sein Partner? Oder nur sein Werkzeug, mit dem er seine eignen Zwecke verfolgt?
In der Geschichte der Religion wurde diese Frage ganz unterschiedlich beantwortet. Antworten hängen damit zusammen, was Menschen erlebt und erlitten haben: Habe ich in meinem Leben Geborgenheit und Wärme empfangen? Oder bin ich von anderen für ihre Zwecke benutzt worden? Habe ich gelernt zu vertrauen? Oder haben Verletzungen mich misstrauisch gemacht? – Lebenserfahrungen färben ab auf das Bild, das wir von Gott haben. Deswegen sind die Antworten so unterschiedlich.

*

„Wozu hat Gott mich geschaffen?“ – Diese Frage drängt sich auch in der römischen Gemeinde auf. Die Christen in Rom müssen unterschiedliche Erfahrungen zusammenbringen. In der Taufe haben sie die befreiende Kraft des Geistes empfangen. In ihrem Alltag erfahren sie Leid und Sinnlosigkeit. Sie sind eingekeilt zwischen Ängsten, erschöpft, oft zu müde zum Beten. Vom römischen Staat werden sie verfolgt. Sie haben einen Glauben, den sie im Gottesdienst bekennen, aber sie wissen nicht, wie sie den im Alltag leben können.
Mit diesem Widerspruch sind sie nicht allein. Er begleitet die Christenheit durch ihre Geschichte.  Zusammen mit anderen fällt es leicht in das Bekenntnis zu Gott einzustimmen. Draußen, im Alltag ist das oft anders. Da bin ich allein.  Da bin ich oft ratlos. Mir fehlt die Kraft, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Und wenn es doch einmal gelingt, werde ich im nächsten Moment wieder abgelenkt.

*

„Wozu hat Gott mich geschaffen?“ – Paulus antwortet darauf gradlinig. In wenigen Federstrichen. So schnell und zielsicher, dass es einem schwer fällt ihm zu folgen: Ihr seid von Gott erwählt, nach seinem Ebenbild gestaltet, berufen, gerecht gesprochen und verherrlicht. Dazu hat er Euch geschaffen. Einen jeden. Das gilt von Eurer Taufe her.“
Wie ein findiger Jurist zeichnet Paulus flink ein gewaltiges Panorama. Er greift zu bedeutungsschweren Begriffe. Angefüllt mit Theologie. Mir fällt es schwer, mich auf Anhieb darin zu verorten.

Vielleicht hilft es, sich das Ausmaß dieses Bildes klar zu machen. „Erwählt, zum Ebenbild geschaffen, gerecht gesprochen und verherrlicht“ – In einem einzigen Satz zieht Paulus eine große Linie. Von der Schöpfung bis zum jüngsten Tag. Er spannt einen großen Horizont auf. Dieses Bild sprengt den Rahmen des Alltäglichen. Große Teile davon liegen außerhalb von dem Blickwinkel, den ich auf mein Leben habe. Kann dieser große Wurf mir helfen, mein Leben hier und jetzt zu bewältigen?

*

Dienstag vor einigen Wochen. Am späten Abend. Markus Lanz moderiert im ZDF die x-te Talkrunde zur Corona-Krise. Im Studio ein Ministerpräsident, ein Virologe sowie die Schriftstellerin Thea Dorn. Zunächst dreht sich das Gespräch um Schutzmasken, um neueste Studien zu Covid-19 und um Prognosen, wie man der Pandemie Herr werden kann. Schließlich kommt der Moderator auf einen Text zu sprechen, den Thea Dorn geschrieben hat. Über die Einsamkeit der Sterbenden in dieser Zeit. Das Gespräch nimmt eine unvermutete Wendung. Fragen kommen auf den Tisch, die im üblichen Talkshowbetrieb aus dem Rahmen fallen. Woraus können Menschen Trost schöpfen, zumal die Sterbenden und ihre Angehörigen? Thea Dorn bekennt, sie sei kein gläubiger Mensch. Aber dann erzählt sie, wie sie in Hamburg auf dem Weg zum Studio an einer Kirche vorbeigekommen sei. Draußen hing ein großes Transparent mit einem Zitat aus einem Paulusbrief. „Der klügste Satz, den ich heute gehört habe,“ bekennt sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal in einem Fernsehstudio sitzen und sagen werde: Der klügste Satz, den ich heute gehört habe, war ein Bibelzitat von Paulus! Und zwar stand da drauf: ‚Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.‘ Der Satz hat mich umgehauen. Ich habe den Eindruck, wir lassen uns im Augenblick massiv vom Geist der Furcht leiten und nicht vom Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit,“ bekennt die Schriftstellerin.

*

„Die Gott dazu bestimmt hat, seinem Sohn gleich zu werden, die hat er auch berufen; der er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen, die er aber gerecht gesprochen hat, die hat er auch verherrlicht.“ – Diese Schlussfolgerung ist von dem gleichen Kaliber wie jenes Zitat, das Thea Dorn auf dem Transparent gelesen hat. Wer es mit Gott zu tun bekommt, dessen Blick geht über den Alltagshorizont hinaus.
„Wozu hat Gott mich geschaffen?“ – Die Antwort darauf liegt außerhalb des Rahmens, in dem wir uns gewöhnlich bewegen. Viel zu selten lassen wir dazu verleiten, unseren Bildausschnitt zu verschieben. Dann würden wir sehen: Wir kommen nicht aus dem Nichts. Und wir gehen nicht ins Leere. Wir kommen von Gott her und wir gehen auf ihn zu. Er hat uns dazu bestimmt sein Partner, sein Ebenbild, in Christus seine Geschwister zu sein.
Es kommt darauf an, das ganze Bild zu sehen. Wer sich vor einem großen Horizont steht, kann über sich hinauswachsen. Der kann sich ausstrecken nach dem, was weit vor ihm liegt. Gott wird ihn mit offenen Armen erwarten. Sein Geist hilft unserer Schwachheit auf.
Amen.

Gottes Segen wünscht Ihnen Ihr Pastor Norbert Schwarz. Bleiben Sie behütet!

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Predigt, Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020

Predigt von Pastor Norbert Schwarz
Christi Himmelfahrt, 21. Mai 2020, Predigttext: Apg 1,3-11
Audiopredigt zu Apg 1,3-11 Christi Himmelfahrt 21. Mai 2020 von
Pastor Norbert Schwarz

Wochenspruch

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen (Joh 12,32).

Predigttext Apg 1,3-11 Christi Himmelfahrt

3 Jesus zeigte sich den Aposteln nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. 4 Und als er mit ihnen beim Mahl war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr – so sprach er – von mir gehört habt; 5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. 6 Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? 7 Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; 8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. 9 Und als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen. 10 Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. 11 Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.

Predigt

Liebe Gemeinde!

„Ich sehe was, was du nicht siehst!“ – ist ein Spiel für lange Autofahrten. Ein Frage – Antwort – Spiel. Kinder können sich dafür begeistern. Sie fragen einem ein Loch in den Bauch. Sie wollen entdecken, was jemand anderes sieht und was doch dem eigenen Blick verborgen bleibt.

Kindliche Neugier ist auch bei dem Lied im Spiel, das wir eben gehört haben: „Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?“ Kein Mensch hat das jemals gesehen. Selbst mit Hilfe des modernsten Teleskops lässt sich der Weltraum nicht durchmessen. Kein Mensch hat sie je gezählt. Wie viele Planeten und Sonnensysteme im Universum existieren, das übersteigt unsere Vorstellungskraft.

*

Und doch wohnt in uns eine Sehnsucht nach Unendlichkeit. Daher die Faszination beim Blick zum Himmel. Die Fragen des Kinderliedes treiben uns dazu an, dass wir uns nach unendlichen Räumen ausstrecken.

In allen Religionen ist der Blick in den Himmel verbunden mit der Frage nach Gott. Mit der Ahnung, dass es etwas unendlich Großes gibt. Ein Schöpfer, der diese Welt geschaffen hat. Die Unendlichkeit entzieht sich jedoch unseren Blicken. „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ – Angesichts der Weite des Universums würde dieses Spiel niemals enden.

*

Der Himmelfahrtstag lenkt unseren Blick nach oben. Bei den Jüngerinnen und Jüngern hinterlässt er allerdings eine Mischung aus Sehnsucht und Schmerz. Nach seiner Auferstehung war Jesus ihnen noch einmal nahegekommen. 40 Tage lang war er da. Zum Greifen nahe. Thomas durfte seinen Finger in seine Wundmale legen. Es war jedoch klar: Diese Gegenwart wird nicht von Dauer sein. An Christi Himmelfahrt ist die Stunde des Abschieds gekommen. Zwischen ihm und den Seinen. Jesus kehrt zurück zu Gott.

*

Für uns Erdenbewohner ist der Himmel der Ort, der uns entzogen ist. Es ist der Raum, den wir niemals durchmessen können. Gewiss: Seit den Tagen Jesu ist einiges geschehen. Menschen haben den Himmel erobert. Seine Geheimnisse gelüftet. Wir bauen Häuser, die bis in den Himmel ragen. Wir durchkreuzen den Himmel mit Flugzeugen, Raketen und Satelliten. Raumsonden nähern sich den Grenzen unseres Sonnensystems. Aber sind wir ihm dadurch wirklich nähergekommen?

Die englische Sprache hat zwei Wörter für „Himmel“. Den Himmel, den die Meteorologen auf ihren Wetterkarten verzeichnen, nennen die Engländer „sky“. Daneben gibt es noch ein anderes Wort: „heaven“. „Heaven“ ist mehr als das blaue Gewölbe über dem Horizont. „Heaven“ ist ein Sehnsuchtsort. Ein Ort, der sich uns entzieht. Von uns aus können wir die Grenze zu ihm nicht überschreiten.

Zugleich ist „Heaven“ ein Ort, wo alles aufgehoben ist, was uns lieb und teuer ist. Vielleicht kennen Sie das Lied von Eric Clapton: „Would you know my name, if I see you in heaven?“ Ein Gespräch mit seinem verstorbenen Sohn. So viel hätte er ihm noch sagen wollen. Der Schmerz über seinen Tod ist tief. Aber die Hoffnung, ihn einst im Himmel wiederzutreffen, gibt er nicht auf.

Wenn ein Mensch, der uns am Herzen lag, gestorben ist, wünschen wir uns, dass er einen Platz habe im Himmel.

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„Was steht ihr da und starrt in den Himmel?“ – reißt eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Voller Wehmut blicken sie nach oben. Doch alles, was sie zu sehen bekommen, ist die unendlich blaue Weite. Keine Spur mehr von dem, der eben noch mit ihnen gesprochen hat. Jesus ist ihren Augen entschwunden. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Der wird auf Euch kommen und ihr werdet meine Zeugen sein,“ hatte er sich von Ihnen verabschiedet.

Jesus entzieht sie sich ihrem Blick – um Ihnen auf neue Weise nahe zu kommen. Dieser Zusammenhang springt uns heute mehr an den je. Wir leiden darunter, dass wir Abstand halten müssen. Begegnungen und Berührungen mit Menschen, die uns am Herzen liegen, sind auf unbestimmte Zeit nicht möglich.

Die Himmelfahrtsgeschichte zeigt uns: Aus diesem Schmerz kann etwas Neues entstehen. Christus sagt: „Ihr, die Ihr mir jetzt nicht mehr nahe sein könnt, die Ihr mich nicht einmal mehr sehen könnt – Ihr werdet die Kraft meines Geistes empfangen. Ihr werdet für mich einstehen und ich werde mit Euch sein!“

Dieses Versprechen macht etwas mit denen, die es hören. Es lenkt ihre Sehnsucht in eine andere Richtung. Anstatt auf den Horizont zu starren, hören sie in sich hinein. In ihr Inneres. Dort waren schon die Emmausjünger gewahr geworden, dass Jesus sich zu ihnen gesellt: „Brannte nicht unser Herz als er mit uns redete auf dem Weg?“

In sein Herz hineinspüren, es bereit machen – das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Jesus ihnen jetzt nahekommt. Ihr Herz ist der Landeplatz für seinen Geist, das Tor, durch das Gott zur Welt kommt.

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Christi Himmelfahrt birgt eine revolutionäre Erkenntnis in sich: Wer mit dem Herzen sieht, bekommt Gottes Nähe zu fassen. Mitten in der Welt. Der wird gewahr: Der Himmel ist nicht einfach oben. Der Himmel kann uns nahekommen. Er kann in uns wohnen.

Jesus selbst hat gezeigt, wie man mit dem Herzen sieht. Er ließ seinen Blick nicht in die Ferne schweifen. Er ließ sich anrühren von der Not, die ihn anblickte. Von Angesicht zu Angesicht. Im Glanz, der sich auf das Gesicht seines Gegenübers legte, übertrug sich sein Geist. Unter seinem tröstenden Wort breitete sich der Himmel aus über die Erde.

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Sich in seinem Herzen berühren lassen. Wer das tut, kann den Abstand überwinden zwischen Himmel und Erde. „Ich sehe was, was du nicht siehst.“ – An Christi Himmelfahrt müssten wir dieses Spiel neu erfinden: „Ich sehe den, den du auch siehst“ – Den Menschen Jesus. Obwohl mein Auge ihn nicht sehen kann, obwohl meine Hand ihn nicht berühren kann, dennoch spüre ich: Er ist nah. Er begleitet mich auf Schritt und Tritt. Jesus macht uns zu Menschen, die mit dem Herzen sehen können. Amen.

Gottes Segen wünscht Ihnen Ihr Pastor Norbert Schwarz. Bleiben Sie behütet!

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Allgemein Predigt

Predigt, Sonntag Rogate, 17. Mai 2020

Predigt von Pastor Norbert Schwarz
Sonntag Rogate, 17. Mai 2020, Predigttext: Lk 11,5-10

Wochenspruch

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mit wendet (Psalm 66,29).

Predigttext Lk 11,5-10: Der bittende Freund

5 Und Jesus sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm:
Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was
ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon
zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.

9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch
aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
11 Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? 12 Oder
gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? 13 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu
geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Predigt

Gerade habe ich mich hingelegt und bin eingeschlummert. Ein langer Tag liegt hinter mir. Plötzlich reißt das
Klingeln an der Tür mich aus dem Schlaf. Ich schrecke auf: Wer könnte das sein zu dieser Zeit? Ist gar etwas
Schlimmes passiert? Wie benommen wandle ich durch den Flur und schließe auf.
„Guten Abend. Ich habe heute Besuch. Wir sind noch nicht müde. Gerade habe ich noch eine Flasche Wein
aufgemacht, und wir wollen dazu was essen. Leider ist mein Kühlschrank leer. Können Sie mir vielleicht
aushelfen?“ – Liebe Gemeinde, wenn mein Nachbar um Mitternacht bei mir klingen und mir diese Bitte
vortragen würde – ich denke, ich wäre nicht begeistert. „Was fällt dem ein! Wegen so einer Lappalie anderen
den Schlaf rauben! Eine Unverschämtheit!“

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In welchen Fällen ist es erlaubt, den Rhythmus des normalen Lebens zu unterbrechen? – Um diese Frage tobt
eine heftige Diskussion. Welche Unannehmlichkeiten muss man in Kauf nehmen? Welcher Verzicht ist
zumutbar? Um die Gesundheit anderer zu schützen. Wann sind Einschränkungen gerechtfertigt? Und wann
ist die Grenzen des Erträglichen überschritten?
Wie bei einer nächtlichen Ruhestörung. Jemand muss ziemlich gute Gründe haben, wenn er mich um
Mitternacht aus dem Schlaf reißt.
Andererseits: Wir kennen Situationen, in denen das unvermeidlich ist:
– Die Nachbarin steht vor der Tür. Ihr Mann krümmt sich vor Schmerzen. Er benötigt schnell einen Arzt.
– Das Baby ist noch einmal aufgewacht und schreit. Es braucht mich jetzt.
Meine Zuwendung, meinen Trost. Damit es wieder einschlafen kann.
Wenn jemand wirklich in Not ist, sind wir bereit zu helfen. Dann reagieren wir reflexhaft und stellen keine Fragen. Unannehmlichkeiten nehmen wir selbstverständlich in Kauf.

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Die Corona-Krise hat auch vor dem Gottesdienst nicht Halt gemacht. Nichts ist mehr, wie es war. In einem Punkt kann ich dem etwas Gutes abgewinnen: Der Gottesdienst ist neu in den Blick geraten. Jahrzehntelang haben wir Gottesdienste gefeiert, ohne dass die Öffentlichkeit davon groß Notiz genommen hat. Seitdem das gottesdienstliche Leben über Wochen still liegt, wird heftig diskutiert.
Gehören Gottesdienste zu den Dingen, die unverzichtbar sind? Oder sind sie genauso zu behandeln wie andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen? Wenn dadurch die Verbreitung des Virus vermieden werden kann, müssen wir mit Einschränkungen leben. – Die Meinungen sind kontrovers. Wie sollen wir uns als Christen zu den Maßnahmen verhalten? Sie gutheißen? Oder dagegen protestieren? Oder gibt es noch eine dritte Möglichkeit?

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Das Thema des heutigen Sonntags ist das Gebet. Das Gebet steht im Mittelpunkt eines jeden Gottesdienstes.
Am Sonntag „Rogate!“ besinnen wir uns darauf: Wenn wir beten, sprechen wir mit Gott. Wir rufen ihn an.
Wir nehmen Kontakt auf mit ihm. Kirchen sind Orte des Gebets.

„Hier geschieht nichts anderes, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir
umgekehrt mit ihm reden durch unser Gebet und Lobgesang,“ hat Martin Luther bei der Einweihung der ersten
evangelischen Kirche gesagt.

Seine Feststellung steckt uns ein Licht auf, was jetzt zutun ist. Wie man mit den Unannehmlichkeiten umgehen kann, die das Coronavirus uns bereitet. Es gilt: Den Kontakt nicht abreißen lassen. Nicht aufhören, mit Gott zu reden. Unsere Sorgen und Nöte vor ihm ausbreiten. Ihn um Kraft und Hilfe bitten.

Beten schafft eine Verbindung über Raum und Zeit. Man kann auf sehr unterschiedliche Weise beten: Allein oder in Gemeinschaft. In der Kirche oder im stillen Kämmerlein. Wenn wir beten, verbinden wir uns mit denen, die jetzt nicht hier sein können. Es tut gut, gemeinsam zu beten. Aber Gott hört auch diejenigen, die allein sind. Immer wieder haben Menschen das erfahren: Als niemand anderes da war, haben sie mit Gott geredet und er hat sie getröstet.

„In Einsamkeit, mein Sprachgesell, in Traurigkeit mein Lachen,“ hat Paul Gerhardt über Gott gedichtet. Darum ist Beten das Gebot der Stunde. Es ist Gottes Beziehungsangebot an uns. Durch alle Kontaktbeschränkungen hindurch. Im Gebet bleiben wir verbunden. Solange wir beten, können wir viele Einschränkungen ertragen. Auf Manches verzichten, was uns lieb und teuer ist.

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In seinem Gleichnis steckt Jesus uns noch ein weiteres Licht auf. Es handelt auch davon, wie wir beten sollen. Mit kann das ja auf ganz unterschiedliche Weise tun. Manche Gebete sind kunstvolle Poesie. Aber auch ein kurzer Stoßseufzer zum Himmel kann ein Gebet sein. Im Gebet kann ich Gott mein Leid klagen. Oder mich bedanken für das Glück, das mir widerfahren ist.

Jesus sagt: Maßgeblich für die Güte eines Gebetes ist nicht seine äußere Form. Für Gebete verteilt Gott keine Schönheitspunkte. Entscheidend ist die Dringlichkeit, mit der Menschen sich an ihn wenden.
Wer in Not ist, der soll wissen: Es gibt jemanden, an den ich mich wenden kann. Bei Gott stoßen meine Klagen nicht auf taube Ohren.

Beim Beten denken viele zuerst an eine fromme Haltung. Man setzt sich hin, faltet die Hände, schließt die Augen. Dagegen beschreibt Jesus das Beten – ganz unfromm – als unverschämtes Drängen: „Bittet, sucht,
klopft an! Macht euch bemerkbar! Verschafft Euch Gehör! Reißt Euern Freund aus dem Schlaf!“ Wenn Gott und Mensch im Gebet aufeinandertreffen, ist nicht alles Friede, Freude, Sonnenschein. Es kann sein, dass da geklagt und geschrien wird. Manchmal fliegen die Fetzen und es knallen die Türen. „Hörst Du mich denn nicht, Gott!“ „Siehst du nicht meine Not!“ „Wenn man nur einmal, zweimal klopft, überhört er es – darum: Bittet, ruft, schreit, sucht, klopft, poltert. Das muss man für und für treiben ohne aufzuhören,“ spornt Luther die Christen zum Beten an. Dann wird Gott mitten in der Nacht aufstehen wie eine Mutter, die weiß: „Mein Kind braucht mich jetzt.“

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Wenn wir wieder lernen so zu beten, bekommen wir Klarheit über unsere Gottesdienste. Welche Bedeutung sie haben und wie wir sie jetzt feiern sollen. Nicht, weil wir einer liebgewonnenen Gewohnheit nachgehen, kommen wir zusammen. Unsere Gottesdienste müssen ein Ort sein, wo die ganze Not, die auf unserem Land und auf der Welt lastet, vor Gott kommt. Wir feiern sie nicht nur für uns selbst, sondern für alle, denen die Luft eng geworden ist und die nicht mehr ein noch aus wissen. Viele sind ratlos, haben keine Ahnung, an wen sie sich wenden sollen. Wir schließen wir uns hier mit ihnen zusammen. Wir erheben unsere Stimmen. Wir hoffen auf ein Ohr, in dem sie Gehör finden. Wir lassen uns nicht abbringen von dem, was Jesus uns versprochen und geboten hat:
„Bittet, so wird euch gegeben;
Suchet, wo werdet ihr finden;
Klopft an, so wird euch aufgetan.“
Amen.

Eine gesegnete Woche wünscht Ihnen Ihr Pastor Norbert Schwarz. Bleiben Sie behütet!